§ 45
Schulungs- und Bildungsveranstaltungen

Die Mitglieder des Personalrates sind unter Fortzahlung der Besoldung, des Entgelts oder von Zulagen für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen vom Dienst freizustellen, soweit dadurch Kenntnisse vermittelt werden, die für die Tätigkeit im Personalrat erforderlich sind. Ersatzmitglieder jeder Vorschlagsliste entsprechend der von dieser Liste gewählten Anzahl von Personalratsmitgliedern können unter den gleichen Voraussetzungen vom Dienst freigestellt werden.

Vergleichbare Vorschriften: § 46 Abs. 6 BPersVG; § 37 Abs. 6 BetrVG

Erläuterung:

1 § 45 beinhaltet die Anspruchsgrundlage für die Teilnahme von Personalratsmitgliedern an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen. Bei den freistellungsfähigen Veranstaltungen handelt es sich um solche, die für die Personalratsarbeit erforderliche Kenntnisse vermitteln. Bei der Betrachtung der Anspruchsgrundlagen der § 42 und § 45 ergibt sich, dass die Grundlage der Erforderlichkeit einer Schulung und die Rechtsfolge der Freistellung aus § 45 folgt, die weitere Rechtsfolge, die Kostenpflichtigkeit, aus § 42.

2 Es besteht Anspruch auf Freistellung unter Fortzahlung der Bezüge für Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die Kenntnisse vermitteln, die der Personalrat für seine Arbeit erforderlich hält. Entscheidend kommt es darauf an, ob der Personalrat zum Zeitpunkt der Beschlussfassung aus der Sicht des „objektiven Dritten“ die Teilnahme eines seiner Mitglieder für erforderlich halten durfte. Nicht entscheidend ist, ob sich nachträglich herausstellt, dass Kenntnisse vermittelt wurden, die den Erwartungen des Personalrats nicht entsprachen.

3 Der Begriff der Erforderlichkeit ist sowohl sach- als auch personenbezogen. Die Sachbezogenheit stellt auf die objektive Erforderlichkeit der Schulung ab, die Personenbezogenheit dagegen auf das Schulungsbedürfnis des einzelnen Personalratsmitglieds (BVerwG vom 09.07.2007 - 6 P 9/06; BVerwG vom 18.8.86 - 6 P 18.84-, PersR 87, 83). Der Personalrat darf eine Schulungsmaßnahme für erforderlich halten, wenn die Beschreibung von der Thematik her Sachgebiete betrifft, die zur Tätigkeit des Personalrats gehören und das vom Personalrat zu entsendende Mitglied der Schulung in diesen Themenbereichen bedarf (vgl. BVerwG vom 16.11.87 - 6 PB 14.87-, PersR 88, 55 Ls.). Es gilt der Grundsatz, dass ein Schulungsbedürfnis vom Personalrat angenommen werden darf, wenn der Personalrat ohne die Schulung des zu entsendenden Mitglieds seine personalvertretungsrechtlichen Befugnisse nicht sachgerecht wahrnehmen kann.

4 Regelmäßig ist die Vermittlung von Grundkenntnissen erforderlich. Die Vermittlung von Grundkenntnissen gilt zunächst für Personalratsmitglieder, die erstmals in eine Personalvertretung gewählt wurden oder dem Personalrat noch nicht allzu lange Zeit angehören. Die Vermittlung von Grundkenntnissen beschränkt sich nicht auf Einführungslehrgänge in das Personalvertretungsrecht, sondern umfasst auch spezielle abgeschlossene Teilgebiete eines Gesetzes (vgl. LAG Düsseldorf vom 15.4.80 - 8 TaBV 3/80, DB 181, 119). So kann es notwendig werden, ein Personalratsmitglied, das bereits mit den Grundzügen des Personalvertretungsrechts vertraut ist, zu einer Schulung zu entsenden, die bestimmte Teilgebiete des Gesetzes vertiefend behandelt oder sich mit Änderungen bzw. der Fortentwicklung der Rechtsprechung befasst. Nach diesen Grundsätzen besteht wegen der grundsätzlich anderen Strukturen des PersVG LSA gegenüber dem BPersVG genereller Schulungsbedarf. Das BVerwG (BVerwG vom 09.07.2007 - 6 P 9/06; vom 14. 11. 1990, Az: 6 P 4/89; OVG Lüneburg vom 29. 8 2001, Az: 18 L 3778/98) hält eine 5-tägige Grundschulung für erforderlich, wobei Grundschulungen auch nicht ausnahmslos auf höchstens fünf Tage begrenzt sein sollen. Insoweit ist der Einzelfall zu beachten.

5 Die Vermittlung von Grundkenntnissen bezieht sich nicht einzig auf das Personalvertretungsrecht. So sind Grundkenntnisse des allgemeinen Arbeitsrechts- und Tarifrechts des öffentlichen Dienstes notwendig, damit der Personalrat seine Beteiligungsrechte sachgerecht wahrnehmen kann (BVerwG vom 14. Juni 2006 – 6 P 13/05 –).

6 Im Rahmen der Vorschrift kann sowohl die Vermittlung von Grundkenntnissen als auch die von Spezialkenntnissen erforderlich sein. Spezialschulungen müssen von der Thematik her Sachgebiete betreffen, die zur Tätigkeit des Personalrats gehören. Daneben müssen sie dienststellenbezogen sein. Sie dürfen nicht Angelegenheiten betreffen, mit denen sich der Personalrat nicht oder nur am Rande zu befassen hat. Die Vermittlung von Spezialkenntnissen wird erforderlich sein, wenn der Personalrat unter Berücksichtigung der konkreten Situation der Dienststelle, des Wissenstandes der Personalratsmitglieder und tatsächlich vorhandener oder künftig zu erwartender Aufgaben dieses Wissen benötigt (vgl. BAG vom 17.9.74 - 1 AZR 574/73, AP Nr. 18 zu § 37 BetrVG 1972). Auch bei der Entscheidung über die Entsendung eines Personalratsmitglieds zu einer Spezialschulung gilt der Grundsatz, dass eine Freistellung zu erfolgen hat, wenn der Personalrat die Entsendung eines seiner Mitglieder für erforderlich halten darf. Die Erforderlichkeit für den Besuch von Spezialschulungen für mehr als ein Personalratsmitglied besteht dann, wenn der Anfall von Angelegenheiten auf dem betreffenden Gebiet so groß ist, dass die erforderlichen Vorbereitungsarbeiten von einem Personalratsmitglied allein nicht geleistet werden können (vgl. OVG Niedersachsen vom 21.5.97 – 17 L 2371/96).

7 Themenstellungen zu Spezialschulungen können sich mit verschiedenen Schwerpunkten befassen. Beispiele für die Erforderlichkeit von Schulungen aus der Rechtsprechung: Ja (erforderlich) Nein (nicht erforderlich)

Ja:

  • Mobbing (BAG vom 15.1.97-7 ABR 14/96-, AP Nr. 118 zu § 37   BetrVG 1972)
  • Kosten- und Leistungsverantwortung (VG Schl-H vom 21. 7. 1998, Az: PB 25/98)
  • Tarifrecht (BVerwG vom 27.4.79 - 6 P 3.78-, PersV 81, 242) -  Personalplanung und Arbeitsorganisation (VG Schl-H vom 21.2.90   – PL 12/89-, PersR 90, 193)
  • Arbeitsrechtliche Grundkenntnisse (BVerwG vom 14.6.06- 6 P 13/05, PersR 06, 468)
  • Arbeitsschutz und Unfallverhütung (BVerwG vom 27.4.79 - 6 P 3.78,  PersV 81, 242)
  • Datenverarbeitung (OVG Koblenz vom 29.6.82 - 4 A 4 /82)

Nein:

  • rein gewerkschaftliche Fragen (BVerwG vom 22.7.82 – 6 P 42.79 -, PersV 83, 374)
  • Arbeitskampfrecht (BVerwG vom 22.7. 82, a.a.O.)

8 Die Erforderlichkeit einer Schulungsmaßnahme wird nicht in Frage gestellt, wenn der Schulungsinhalt auch Sachgebiete betrifft, deren Kenntnis für die Personalratsarbeit nicht erforderlich ist. In diesem Fall ist die Dienststelle nur zur anteiligen Kostentragung verpflichtet (BVerwG vom 14.6.06 a.a0.). Entscheidend kommt es darauf an, dass der Personalrat zum Zeitpunkt der Beschlussfassung aufgrund des Schulungsprogramms davon ausgehen musste, dass überwiegend benötigtes Wissen vermittelt wird. Es ist allerdings nicht mit dem Gebot der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel zu vereinbaren, Personalratsmitglieder über Sachgebiete zu schulen, mit denen der betreffende Personalrat nicht oder nur am Rande befasst wird. (BVerwG vom 8. 9. 86, Az: 6 P 4/84)

9 Neben den Personalratsmitgliedern haben auch Ersatzmitglieder Anspruch auf die Vermittlung erforderlichen Wissens, damit sie jederzeit verantwortlich für ein ausgeschiedenes oder verhindertes Personalratsmitglied personalvertretungsrechtliche Aufgaben übernehmen können. Jedoch gilt dieser Anspruch nicht für sämtliche Ersatzmitglieder. Im Fall der Verhältniswahl (Listenwahl) können so viele Ersatzmitglieder zu erforderlichen Schulungsveranstaltungen freigestellt werden, wie Personalratsmitglieder in den Personalrat gewählt worden sind. Dabei gilt der Grundsatz, dass je Vorschlagsliste (vgl. § 19 Abs. 3 Satz 1) so viele Ersatzmitglieder für eine erforderliche Schulungsveranstaltung freigestellt werden können, wie die Vorschlagsliste Sitze errungen hat. Hat zum Beispiel die Vorschlagsliste „X“ für die Gruppe der Arbeitnehmer zwei Sitze erreicht und sind insgesamt auf der Wahlvorschlagsliste sechs Bewerberinnen und Bewerber enthalten, so gilt der Schulungsanspruch für Ersatzmitglieder nur für die an Stelle 3 und 4 der Vorschlagsliste aufgeführten Ersatzmitglieder. Hat Mehrheitswahl (vgl. § 19 Abs. 3 Satz 3) stattgefunden, so können bei gemeinsamer Wahl so viele Ersatzmitglieder in der Reihenfolge des Wahlergebnisses zu Schulungsveranstaltungen freigestellt werden, wie Personalratsmitglieder vorhanden sind. Hat ein Personalrat beispielsweise sieben Mitglieder, so haben lediglich die Ersatzmitglieder, die an 8. bis 14. Stelle aufgeführt sind, einen Schulungsanspruch.

10 Neben dem Entsendebeschluss, der Grundlage für die Teilnahmepflicht des betreffenden Personalratsmitglieds oder Ersatzmitglieds ist, bedarf es der Freistellung durch die Dienststelle. Ist die Dienststellenleitung mit einer Entsendung des Personalrats zu einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung nicht einverstanden, muss sie die Freistellung ausdrücklich verweigern. Grundsätzlich kommt eine derartige Verweigerung bei einem Schulungsprogramm, das sach- und personenbezogen erforderlich für die Personalratsarbeit ist, nur in Betracht, wenn zwingende dienstliche Erfordernisse entgegenstehen. Denkbar ist, dass ohne die dienstliche Tätigkeit des zu entsendenden Personalratsmitglieds wichtige Dienststellenaufgaben nicht erfüllt werden können. Die Dienststellenleitung kann auch wegen zwingender dienstlicher Erfordernisse die Teilnahme eines Personalratsmitglieds an einer Schulung nicht kategorisch verweigern. Sie muss vielmehr nach Möglichkeiten suchen, dem Personalrat die Teilnahme an der Schulung zu ermöglichen.

11 In Bezug auf die Dauer und die Häufigkeit der Teilnahme von Mitgliedern der Personalvertretung an Schulungen legt das Gesetz keine Grenze fest. Alleiniger Maßstab ist insoweit die Erforderlichkeit.

12 Personalratsmitglieder, die an einer erforderlichen Schulungs- und Bildungsveranstaltung teilnehmen, dürfen keine Nachteile erleiden. Deshalb gilt das Lohnausfallsprinzip; das Personalratsmitglied ist so zu stellen, als wenn es gearbeitet hätte (Satz 1). Freizeitausgleich für die über die Arbeitszeit hinausgehende Schulungszeit steht Personalratsmitgliedern nach der Rechtsprechung jedoch nicht zu (BVerwG vom 23.7.80 - 2 C 43.78-, PersV 82, 63). Teilzeitbeschäftigte Personalratsmitglieder haben Anspruch auf Schulung in gleichem Umfang wie vollzeitbeschäftigte Personalratsmitglieder. Fraglich ist, ob teilzeitbeschäftigte Personalratsmitglieder einen Anspruch auf Dienstbefreiung für die Zeit der Schulung, die über ihre individuelle Arbeitszeit hinausgeht, in entsprechender Anwendung des § 44 Abs. 3 haben. Dies wird zu verneinen sein, da § 45 eine abschließende Regelung zur Freistellung für Schulungen enthält und nicht auf § 44 Abs. 3 verweist.

13 Grundlage für den Kostenerstattungsanspruch des Personalratsmitglieds ist § 42 Abs. 1. Personalratsmitglieder und Ersatzmitglieder, die an erforderlichen Schulungsveranstaltungen teilnehmen, haben Anspruch auf Ersatz der Teilnehmergebühren, der Unterbringungskosten, der Verpflegungskosten und der Reisekosten. Teilnehmergebühren, Unterbringungs- und Verpflegungskosten werden dem Personalratsmitglied üblicherweise vom Schulungsträger in Rechnung gestellt. Die Erstattung von Reisekosten zu Schulungs- und Bildungsveranstaltungen bemisst sich nach den Grundsätzen des § 42 Absatz 2.

14 Der Anspruch auf Schulung besteht ausnahmsweise auch bei erschöpften Haushaltmitteln. Kosten sind für die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung, welche für die Personalratstätigkeit erforderliche Kenntnisse vermittelt, von der Dienststelle bei Fehlen von Haushaltsmitteln dann zu übernehmen, wenn der Schulungsbedarf unaufschiebbar ist. Unaufschiebbar ist die Teilnahme des Personalratsmitgliedes an einer Spezialschulung, wenn es die dort vermittelten Kenntnisse benötigt, um einem akuten Handlungsbedarf auf Seiten des Personalrats zu genügen (BVerwG vom 26. 2. 2003, Az: 6 P 10/02; a.A. OVG LSA vom 6. 10. 99, Az: A 6 S 2/97 und vom 1. 2. 96, Az: 5 L 2/95).

 

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